Österreich möchte rund 500 syrische Bürgerkriegs-Flüchtlinge aufnehmen, vorzugsweise Christen. Die syrischen Christen rücken damit in den Fokus einer Debatte, die zum Teil wirre Züge annimmt.
Österreich nimmt, wie andere europäische Staaten auch, Flüchtlinge aus Syrien auf, wo seit nunmehr zwei Jahren ein Bürgerkrieg tobt. Das ist das Mindeste, wo doch der Westen ansonsten recht hilflos wirkt, wenn es darum geht eine Haltung zum Syrienkonflikt zu entwickeln. Die Humanität der österreichischen Regierung kommt wohl nur wenigen Syrern zugute, und primär solchen, die sich zum christlichen Glauben bekennen.
Die Obfrau der Asylkoordination Österreich, Ammy Knapp, bemängelte schon in der vergangenen Woche die Auswahl nach konfessionellen Kriterien: „Menschenrechte gelten für Angehörige aller Religionen.“ Vom Assad-Regime oder Islamisten verfolgte Christen scheinen der Regierung trotzdem willkommener als verfolgte Syrer anderen Glaubens.
Wiens Kardinal Christoph Schönborn sieht in der Flüchtlingshilfe ohnehin vor allem eine „Geste der Solidarität der mehrheitlich christlichen Österreicher mit den Christen in Syrien“. Die evangelische Diakonie hingegen fordert, die Schutzbedürftigkeit zum wichtigsten Aufnahmekriterium zu machen.
Der Umgang mit Religion in der Außenpolitik macht deutlich, welchen Stellenwert Religionsfreiheit und Humanismus für die Regierung haben. Bei politischen Entscheidungen, die aus humanitären Gründen getroffen werden, sollte Religionsfreiheit bedeuten, dass die Entscheidungen frei von religiösen Kriterien bleiben. Mit ihrer Haltung, christliche Kriegsopfer zu bevorzugen, steht die österreichische Regierung in Europa allerdings nicht allein dar. Auch die deutsche Regierung maßt sich an, christliche Opfer von Verfolgung, anderen vorzuziehen.
Steckt hinter der Bevorzugung christlicher Bürgerkriegsopfer bei der Vergabe von Flüchtlingsvisa vielleicht mehr als eine selektive, geschichtsvergessene und moralisch einfältige Solidarisierung mit Angehörigen einer bestimmten Religion?
Die Spiegel-Journalistin Raniah Salloum traf im Libanon unlängst christliche Flüchtlinge aus Syrien, und fragte sie nach deren Einschätzung der europäischen „Christen-Zuerst“-Politik. „Das ist ein Versuch der Europäer, einen Keil zwischen uns und unsere Regierung zu treiben“, lautete eine der Einschätzungen. „Sie wollen, dass wir Christen uns gegen Baschar al-Assad stellen, aber das werden wir nicht. Baschar beschützt uns.“ Auch das Assad-Regime instrumentalisiere die syrischen Christen. Schändungen christlicher Kirchen durch islamistische Rebellen, Plünderungen in christlichen Wohngebieten, vieles davon habe sich zum Teil bereits als irreführende Propaganda herausgestellt. Die Bande zwischen dem Assad-Regime und vielen Christen aus der syrischen Oberschicht waren eng geknüpft und sind es vielleicht zum Teil noch immer.
Die syrischen Christen sind nicht weniger vom Leid betroffen, als andere Syrer. Doch den Kriegsparteien ist bewusst, welche Rolle das Schicksal der syrischen Christen in der Außenwarnehmung des Konflikts spielt – vor allem im sogenannten Westen, dem mehrheitlich christlichen Ausland.
Das belegen auch die Zuckungen, die das Schicksal der christlichen Bevölkerung Syriens bei manchem österreichischen Kommentator auslösen. Hans Rauscher stellt im Standard fest, dass die „Zerstörung des christlichen kulturellen Erbes“ in Syrien auch „den hartnäckigen Kämpfern gegen die katholische Kirche hierzulande zu denken geben“ solle. Was genau er damit meint, man weiß es nicht. Die Zerstörung von Jahrtausende alten Kulturgütern – auch solchen religiöser Art – kann schwerlich jemand gutheißen. Dass Rauscher hier insinuiert „ein Niko Alm“ würde das möglicherweise tun, zeigt, wie einfach sich das Schicksal der syrischen Christen instrumentalisieren lässt.
Immerhin stellt Rauscher selbst fest, dass bei der Aufnahme von Flüchtlingen die individuelle Gefährdung, nicht der jeweilige Glaube, ausschlaggebend sein sollte. Dass er ausgerechnet den Hinweis auf genau das als „Furor“ abtut, bei dem es um innenpolitische und ideologische Auseinandersetzungen gehe, entlarvt die inhaltliche Leere seiner Argumentation.