Debatte um Verjährung in Missbrauchsfällen
Wenn es um Fälle von Missbrauch in Heimen, Schulen und Klöstern geht, dann kommt es oft erst Jahrzehne später zum Prozess. Kommt das den Tätern zugute? Erschreckend regelmäßig werden Fälle von Missbrauch in Pflegeheimen und Internaten bekannt, und unter den betroffenen Einrichtungen sind ebenso erschreckend viele kirchliche. Kommt es zur Forderung von Schadensersatz für die Missbrauchsopfer, wird die Frage nach der Verjährung der Straftaten relevant, denn schließlich liegen die eigentlichen Straftaten oft Jahrzehnte zurück, auch wenn die Folgen noch ganz aktuelle psychische Auswirkungen für ihre Opfer haben. In Tirol sind aktuell zwei Klagen auf Schadensersatz wegen Missbrauchs anhängig – es geht um über eine Million Euro. Die Liste Fritz fordert vom Land Tirol: „Das Land darf in den Gerichtsverfahren nicht die Verjährung einwenden“, berichtet der ORF. Wie entscheidend und brisant die Verjährungsfrage in Schadensersatz-Prozessen bei Missbrauchsfällen ist, zeigen die beiden Prozesse gegen das Stift Mehrerau aus dem vergangenen Jahr, in deren Verlauf der Eintrittszeitpunkt der Verjährungsfrist jeweils zur zentralen Frage wurde.
Das Landesgericht Feldkirch entschied in beiden Fällen, eine Verjährung sei noch nicht eingetreten. Im einen Fall war ein psychologisches Gutachten ausschlaggebend, das feststellte, die Erinnerungen an die mehr als 30 Jahre zurückliegenden Vergewaltigungen seien lange Zeit vom Opfer verdrängt worden, und daher beginne die Verjährungsfrist erst mit dem Zeitpunkt, an dem diese Verdrängung schließlich aufhörte. Im anderen Fall entschied das Gericht, dass auch eine sogenannte Erfüllungsgehilfenhaftung erst nach dreißig Jahren verjährt – also analog zur Täterhaftung. Eine Reihe von lesenswerten Artikeln zu den Prozessen gegen das Stift Mehrerau finden sich auf der Seite des Freien Journalisten Markus Wachter.
Die Debatte um Verjährung von komplexen und folgenschweren Missbrauchs-Straftaten ist eine nötige, wenn auch keine einfache. Schließlich sind Missbrauchsfälle sehr unterschiedlich zu bewerten – allein wegen der oft schwierigen psychischen Auswirkungen auf der Opferseite.
Solange es allerdings zur Verteidigungsstrategie der Täter gehört, darauf hinzuweisen, dass die Schadensersatzforderungen ihrer traumatisierten und zum Tatzeitpunkt minderjährigen Opfer zu spät erhoben werden, ist die Frage nach der Verjährung auch ein entscheidendes Mittel des Opferschutzes.
Die Kirche und das Geld
Schwarze Kassen und undurchsichtige Finanzkonstrukte sind in katholischen Bistümern keine Seltenheit. Der Neubau des Bischofssitzes im Bistum Limburg sorgte im vergangenen Jahr für Empörung unter deutschen Katholiken. Einige Journalistinnen und Journalisten entdeckten durch die Enthüllungen rund um das Finanzgebahren des Bischofs Franz-Peter Tebarz van Elst das Thema kirchlicher Finanzkonstrukte und ihrer Neigung Verschwendung für sich und ihre Recherchen. Und so weiß man inzwischen von Briefkastenfirmen im Bistum Köln und anderen Steuerspar- und Investitionsmodellen, die man eher in der Finanzdienstleister-Branche als in der so moralischen katholischen Kirche vermutet hatte. Die Debatte um die Finanzen der katholischen Kirche ist nicht geeignet, streng getrennt nach einzelnen Staaten geführt zu werden. Was in Limburg, München, Köln und anderswo geschieht, findet in ganz ähnlicher Weise auch in österreichischen Bistümern statt. Man denke nur an das kirchennahe Wiener Bankhaus Schelhammer&Schattera und die kirchlichen Verstrickungen in Glücksspiel unc Co. Der Südwestdeutsche Rundfunk widmete die letzte Ausgabe der Sendung „Der Abend“ dem „Geheimnis des Glaubens…Geheimnis des Geldes.“