1. Das Konkordat entstand zu Zeiten des Austrofaschismus und billigte dem Vatikanstaat umfangreiche Sonderrechte und Subventionen zu. Während die meisten gesetzlichen Regelungen aus dieser Zeit heute abgeschafft wurden, ist dieser Anachronismus noch immer aufrecht. Sind Sie für Kündigung des Konkordats im Interesse der österreichischen SteuerzahlerInnen?
Eine Kündigung des Konkordats wäre für mich ein möglicher Schritt. Ich würde davor jedoch eine einvernehmliche Auflösung und zeitgemäße Neuverhandlung anstreben. Eine für beide Seiten faire Beteiligung Österreichs bzw. der österreichischen Steuerzahler_innen an Leistungen der katholischen Kirche im Interesse der Allgemeinheit sollte auf eine zeitgemäße rechtliche Grundlage gestellt werden.
2. Jährlich profitieren die anerkannten Religionsgemeinschaften von Subventionen und Begünstigungen in der Höhe von 3,8 Mrd. EUR auf Kosten der österreichischen SteuerzahlerInnen. Sind Sie in dieser fiskalisch schwierigen Zeit für eine Einschränkung von Subventionen bzw. Steuerbefreiungen für Religionsgemeinschaften? Wenn ja: An welche denken Sie dabei?
Ja. Wir müssen in allen Bereichen nach Einsparungspotenzialen suchen. Davon sollten auch Subventionen für anerkannte Religionsgemeinschaften keine Ausnahme bilden. Detailvorschläge kann ich Ihnen (noch) nicht bieten.
3. Aufgrund der vielen Meldungen und Gespräche unserer unabhängigen Hotline für Betroffene kirchlicher Gewalt schätzen wir, dass tausende Personen Opfer von sexueller, physischer und psychischer Gewalt durch Kirchenangehörige wurden. Die meisten Betroffenen und deren Umfeld leiden lebenslang an den Folgen. Die sogenannte Klasnic-Kommission, die zur Aufklärung und Entschädigung eingesetzt wurde, ist keinesfalls unabhängig. Das hat jetzt ein Bescheid der Datenschutzkommission gezeigt, wonach diese Kommission organisatorischer Teil der Erzdiözese Wien ist (www.betroffen.at/archives/963). Sind Sie für eine staatliche und unabhängige Aufklärung der kirchlichen Missbrauchs- und Vertuschungsverbrechen?
Ja, ich bin für eine unabhängige Aufklärung aller Missbrauchsvorwürfe.
4. Derzeit werden im ORF rund 21 Religions-Formate mit einer gesamten Sendezeit von mehr als 1000 Stunden kostenlos ausgestrahlt. Außerdem sind Vertreter von Religionsgemeinschaften im ORF Stiftungs- und Publikumsrat. Sind Sie für eine Reduzierung des Religionsberichterstattung im ORF und eine Reduzierung des Einflusses der Religions-Gemeinschaften auf den ORF? Und wenn ja: in welchem Ausmaß?
Anerkannte Religionsgemeinschaften sind relevante gesellschaftliche Stakeholder. Ihre Einbindung in Beiratsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scheint mir daher legitim. Sie sollte in Verhältnismäßigkeit zu anderen gesellschaftlichen Stakeholdern abgebildet sein (z.B. Zivilgesellschaft). Ad Religionsberichterstattung: Religion ist für viele Menschen ein wichtiger Teil ihrer Lebensrealität. Religionsthemen scheinen mir daher geradezu logisch als (hoffentlich kritisch recherchierte) Inhalte für Radio- und TV-Sender mit Ausrichtung auf Breitenpublikum. Hier sollte man grundsätzlich nichts verbieten. Ist für mich in die Verantwortung einer unabhängigen Redaktion eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu legen.
5. Bei der rituellen Beschneidung wird Buben die hocherogene Vorhaut amputiert, was vielfach negative Auswirkungen auf das spätere Lustempfinden (auch das der PartnerInnen) haben kann. Dies stellt mitunter ein schweres Kindheitstrauma dar. Eine aktuelle Umfrage zeigte, dass 55 Prozent der ÖsterreicherInnen die Beschneidung ablehnt und Beschneidung bestraft wissen will. Zwei Drittel der ÖsterreicherInnen verlangen ein Schutzalter von 16 Jahren. Sind Sie auch für die Einführung eines Schutzalters, vergleichbar dem Schönheits-OP-Gesetz.
Ich bin für ein Schutzalter vergleichbar dem Schönheits-OP-Gesetz.
Matthias Strolz,
Vorstand NEOS