Das Kloster Mehrerau reagiert auf die Schadenersatzklage eines ehemaligen Schülers mit Verjährungseinwand. Der heute 57-Jährige war in den 1960er-Jahren von einem Geistlichen mehrfach vergewaltigt worden. Die Klage auf Schmerzensgeld und Verdienstentgang ist die erste zivilrechtliche Klage eines Missbrauchsopfers, strafrechtliche Verfahren gegen den von mehreren Männern beschuldigten Geistlichen waren wegen Verjährung eingestellt worden.
Sanyai Doshi, der Anwalt des Klägers, sah das Kloster in der moralischen Pflicht, keinen Verjährungseinwand zu erheben und damit das Verfahren zu ermöglichen. Abt Anselm van der Linde verweist das Opfer in einer Aussendung jedoch, wie bereits vor der Klage, an die Klasnic-Kommission. Das Kloster sei nicht bereit, die Haftung für vorsätzliche Taten eines Ordensmitglieds zu übernehmen. In die Opferschutzkommission flossen bisher, so Pressesprecher Harald Schiffl, rund 200.000 Euro aus der Mehrerau.
Abt weiß von nichts
Die Entscheidung des Klosters war zu erwarten, „ist deshalb aber nicht weniger traurig“, sagt der ehemalige Mehrerauer Philipp Schwärzler. Der Psychologe arbeitet seit zwei Jahren für die unabhängige „Hotline für Betroffene kirchlicher Gewalt“. Der Fall des Mehrerauer Paters B., „der wohl best dokumentierte kirchliche Missbrauchsfall“, sei über Jahrzehnte vertuscht worden.
B., der „eine Spur der Verwüstung durch Kinderseelen gezogen hat“ (Schwärzler) war bereits 1967 einschlägig verurteilt worden, dennoch blieb er Lehrer und Erzieher. 1982, nach Bekanntwerden eines weiteren sexuellen Übergriffs, wurde er versetzt. B. arbeitete dann in Tirol als Pfarrer – auch mit Kindern. Schwärzler: „Er wurde, wie andere Täter, nie laisiert, die Klosterleitung hat nie Konsequenzen gezogen.“ Der Pater, „der vielleicht 20, 30 oder mehr Kinder missbraucht hat“ saß bei der Weihe des neuen Abts „im feierlichen Gewand zwei Meter neben dem neuen Chef“, kritisiert Schwärzler die Doppelmoral.
Der Abt habe von nichts gewusst, sagt Pressesprecher Harald Schiffl. “ Unglaubwürdig“, sagt Schwärzler. Das würde bedeuten, dass Altabt Kassian Lauterer seinen Nachfolger nicht über die Missbrauchsfälle informiert hätte.
derstandard.at vom 22.2.2012: zum Artikel
vorarlberg.orf.at vom 22.2.2012: zum Artikel