Markus Rohrhofer, 24. April 2012, derstandard.at
Die Unabhängigkeit der Klasnic-Kommission steht auf dem Prüfstand. Eine Datenanfrage eines Opfers offenbart, dass offensichtlich intime Details rund um Missbrauchsfälle bei der Bischofskonferenz landen
Herbert L. wandte sich im vergangenen Jahr mit einer sogenannten Datenanfrage an die Klasnic-Kommission und die Stiftung Opferschutz. Herr L. ist anerkanntes Missbrauchsopfer und wurde bereits mit 10.000 Euro von der katholischen Kirche entschädigt. Was der Wiener noch genau wissen wollte, ist, welche Daten zu seiner Person im Zuge seiner Missbrauchsaufarbeitung gespeichert wurden. Die Antwort kam im Februar 2012 und überraschte Herbert L. Der eingeschriebene Brief, der dem Standard vorliegt, trägt nämlich den Briefkopf des Generalsekretariats der österreichischen Bischofskonferenz.
Die Erklärung folgt im ersten Absatz: „Beide angefragten Einrichtungen haben das Auskunftsbegehren zuständigkeitshalber der Datenschutzkommission der Katholischen Kirche in Österreich zugeteilt.“ Zuständig für mitunter heikle Datenfragen rund um die eigentlich kirchenunabhängige Opferschutzanwaltschaft ist also die katholische Datenschutzkommission.
Gläserne Opfer
Drängt sich natürlich die Frage auf, welche Opferdaten den Weg ins Generalsekretariat der Bischofskonferenz finden. Auch darüber gibt das Antwortschreiben Aufschluss. Gespeichert werden neben Namen, Anschrift, Taufdaten und Kirchenaustrittsdaten auch die Art des Missbrauchs, Orte des Missbrauchs, Namen von Therapeuten, die gesammelte Korrespondenz zwischen Opfer und Opferschutzanwaltschaft. Und alle Clearing-Daten. Also jene höchst sensible Informationen, die von der Klasnic-Kommission in sogenannten Clearing-Verfahren gesammelt werden.
Alle kirchlichen Missbrauchsopfer, die eine Entschädigung wollen, müssen eine mehrstündige Kurztherapie („Clearing“) bei ausgewählten Psychologen absolvieren. Darin werden intime Details zum Missbrauch bzw. zu etwaigen seelischen Beeinträchtigungen – gesundheitliche Erkrankungen, Selbstmordversuche, Beziehungsprobleme – festgehalten. Die Opfer müssen die Psychologen dann von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbinden, sodass diese die Berichte anonymisiert an die Klasnic-Kommission weitergeleitet werden können. Diese verfasst ein „Deckblatt“ und sendet selbiges als Erstinformation an die kirchliche „Stiftung Opferschutz“. Vermerkt sind darauf der Name des Opfers, des Beschuldigten, Tatzeitraum, Tatort und die Tatsache, ob körperlicher, seelischer oder sexueller Missbrauch vorliegt. Details zur Tat sind nicht enthalten.
Retourniert wird dann von den jeweiligen Ordinarien oder Ordensoberen eine Stellungnahme. Die Klasnic-Kommission entscheidet über eine Entschädigung. Und man betont dort gern, keine heiklen Daten weiterzugeben.
„Zu global geantwortet“
Doch warum dann die besagte Auskunft der Datenschutzkommission der Kirche? Herwig Hösele, Sprecher der Klasnic-Kommission: „Da hat der zuständige Jurist bei der katholischen Datenschutzorganisation einfach zu global geantwortet. Es wurden in dem Schreiben einfach alle gespeicherten Daten angeführt, verabsäumt wurde eine klare Differenzierung: Welche Daten bleiben bei der Kommission, welche bei der Stiftung Opferschutz und welche gehen an die katholische Datenschutzkommission. Eines halte ich aber ganz klar fest: Es werden keine hochsensiblen Daten aus den Clearing-Verfahren weitergegeben. Sonst hätte doch die ganze Kommission keinen Sinn.“