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Initiative gegen Kirchen-Privilegien
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Beschneidung: Der Kern der Sache ist die Sexualität

diestandard.at, 26.7.2012, Gastkommentar von Petra Schweiger (Petra Schweiger lebt als Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin in Salzburg.)

In der Beschneidungsdebatte bei Burschen kommen derzeit weniger aufklärende Argumente zur Sprache, dafür umso mehr die Haltungen von Religionsvertretern

Es ist noch nicht allzu lange her, dass in Europa offen über Genitalverstümmelung (FGM) an Mädchen und Frauen geschrieben und gesprochen wird. Nach vielen Diskussionen, Erfahrungsberichten Betroffener und einer guten Informationspolitik ist rasch ein breiter gesellschaftlicher Konsens entstanden, der diese grausamen Eingriffe in unterschiedlicher Ausprägung – von der Entfernung der Klitoris-Vorhaut bis zur gesamten Entfernung der äußeren Klitoris und der inneren und äußeren Venuslippen – entschieden ablehnt und unter Strafe stellt.

In der aktuellen Diskussion über die Genitalbeschneidung bei Burschen kommen derzeit weniger aufklärende Argumente zur Sprache, dafür umso mehr die Haltungen von Religionsvertretern, die diesen medizinisch völlig unnötigen Eingriff an einem gesunden, intimen Körperteil vehement mit dem Vorwand verteidigen, er diene der Hygiene, sei uralte Tradition und deshalb unantastbar. Religion aber soll individuelle Privatsache bleiben und darf sich nicht diverser Riten bedienen, die gewalttätig und stigmatisierend sind.

Sowohl die weibliche Genitalverstümmelung als auch die männliche Vorhautamputation sind massive Eingriffe in die körperliche und sexuelle Integrität von Menschen, die lebenslange Auswirkungen auf das sexuelle Erleben und auch das sexuelle Empfinden der Partnerin/des Partners haben. Dies im „Schutze“ der Religionsgemeinschaften willkürlich an Minderjährigen zu praktizieren ist eine Menschenrechtsverletzung, die das Recht auf Freiheit und Unversehrtheit missachtet und auch das Recht auf Schutz vor traditionellen gesundheitsschädlichen Praktiken.

Der Kern der Sache: Die Sexualität
Der bekannte Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer kommentiert in der „Süddeutschen“ (4.7.2012) anschaulich, dass dadurch eine Tradition legitimiert wird, die ein angespanntes Verhältnis zur Sexualität zum Ausdruck bringt. Routinemäßige Genitalbeschneidungen an Buben wurden um die Mitte des 19. Jahrhunderts im angloamerikanischen Raum eingeführt, um die in der prüden viktorianischen Gesellschaft verpönte Selbstbefriedigung zu erschweren. Und somit sind wir beim Kern der Sache: bei der Sexualität!

Die Vorhaut am Penis ist ein sehr empfindsames Organ, das die sexuelle Erregbarkeit und die Penetration erleichtert. Beschnittene Männer berichten in Sexualtherapien häufiger von Empfindsamkeitsproblemen und Orgasmus-Schwierigkeiten. Auch die Partnerinnen beschnittener Männer sind häufiger mit Schmerzen während des vaginalen Verkehrs konfrontiert und erleben geringere sexuelle Erfüllung. Das sind die intimen Folgen dieses Eingriffs, über die nachhaltig geschwiegen wird.

Trifft ein mündiger Mann die Entscheidung, als Bindungsritual an eine religiöse Gemeinschaft sich seine Vorhaut entfernen zu lassen, so ist dies selbstverständlich zu akzeptieren. Erwachsene aber haben kein Recht, an einem gesunden Kind einschneidende und nachhaltige Körperveränderungen vornehmen zu lassen. Für Schönheitsoperationen wird es ab kommendem Jahr einen strengen gesetzlichen Rahmen geben. An Mädchen und Burschen unter 16 Jahren werden diese Eingriffe zu Recht künftig verboten sein. Für Eingriffe an gesunden Sexualorganen sollte das Gleiche gelten.