Tiroler Tageszeitung, Printausgabe vom Mi, 18.07.2012, von Brigitte Warenski
In Österreich dürfen laut Gesetz nur Ärzte rituelle Beschneidungen vornehmen. Die „Initiative gegen Kirchenprivilegien“ prüft nun eine Klage.
Innsbruck, Wien – Dass rituelle Beschneidungen bei jüdischen und muslimischen Buben auch in Österreich nicht auf rechtssicherem Boden stattfinden, zeichnet sich immer mehr ab. Nicht erst nach dem Kölner Urteil, das die Beschneidung als Körperverletzung und daher rechtswidrig bezeichnete, sind Österreichs Ärzte zurückhaltend. So bestätigte Reinhold Kerbl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, bereits vor einigen Tagen gegenüber der Tiroler Tageszeitung, dass man den heimischen Ärzten, die rechtlichen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen wollen, von den Eingriffen dringend abrate.
Rechtlich völlig ungeklärt ist, wie legal die Beschneidungen sind, die von einem Mohel durchgeführt werden. Die jüdischen Beschneider sind zwar ausgebildet, aber meist keine Ärzte. So wie der Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister, der im jüngsten profil über seine Eingriffe nach jüdischem Ritual erzählte. Im Gesundheitsministerium hat man dazu einen klaren Standpunkt: „Beschneidungen sind ein kleiner chirurgischer Eingriff und daher eine den Ärzten vorbehaltene Tätigkeit. Das steht so im Ärztegesetz“, sagt Gerhard Aigner vom Gesundheitsministerium. Im Justizministerium ist man hier vorsichtiger: „Die Tradition ist sozial akzeptiert. Nur weil es kein Arzt macht, ist der Eingriff nicht automatisch eine Körperverletzung“, sagt Christian Manquet. Rechtliche Sicherheit gebe es aber erst, wenn wie in Deutschland Komplikationen bei einem Eingriff auftreten und der Fall dann vor Gericht lande, meint Manquet. Er schließt auch nicht aus, dass sich ein Kläger auf die UN-Kinderrechtskonvention berufen könnte: „Sie besagt, dass rituelle Handlungen, die der Gesundheit von Kindern schaden, abgeschafft werden müssen. Ob in dieses Verbot auch die männliche Beschneidung fällt, weiß derzeit niemand. Die einzelnen rituellen Handlungen sind nämlich nicht aufgezählt.“ Anwältin Eva Plaz und Niko Alm von der „Initiative gegen Kirchenprivilegien“ glauben nicht, dass Beschneidungen legal sind, wie sie gestern auf einer Pressekonferenz betonten: „Die nicht medizinisch indizierte Beschneidung ist Körperverletzung“, so Plaz. „Es spricht nichts dagegen, dass sich erwachsene, entscheidungsfähige Männer beschneiden lassen. Körperverletzung an Minderjährigen hat in einer Demokratie jedoch keinen Platz, auch nicht, wenn sie im Namen der Religionsfreiheit durchgeführt wird. Gerade diese Religionsfreiheit muss auch für Kinder gelten“, sagt Alm. Er fordert, dass der Eingriff in ein Alter verschoben werde, „das mit der individuellen Selbstbestimmung kompatibel ist: Zu diskutieren ist eine Altersgrenze zwischen 14 und 18 Jahren.“ Die „Initiative gegen Kirchenprivilegien“ prüft nun rechtliche Schritte, um ein rituelles Beschneidungsverbot von Minderjährigen juristisch durchzusetzen. Plaz sieht als entscheidende Frage, wer dem Eingriff zustimmt. Bis zum 14. Lebensjahr nämlich die Eltern und diese dürften in nichts einwilligen, was das Kindeswohl beeinträchtigen könnte. „Die körperliche und seelische Unversehrtheit des Kindes ist meiner Einschätzung nach über die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern zu stellen“, meint Plaz, die glaubt, dass das Thema vor dem Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg landen werde.