Tiroler Tageszeitung, 01.07.2012, von Brigitte Warenski
Islamische Tradition, Einschränkung der Sexualität oder Verletzung der Kinder- rechte? Die Beschneidung sorgt für Zündstoff.
Innsbruck – Die Beschneidung von Buben im Islam oder im Judentum stellt nach einem Urteil des Kölner Landgerichts eine strafbare Körperverletzung dar. Ein Urteil, das Güven Tekcan, türkischstämmiger Gemeinderat der VP in Telfs, nicht verstehen kann. „Im Islam ist die Beschneidung von Buben bis zum 13. Lebensjahr Pflicht. Das ist klares Gesetz gleich wie das Alkoholverbot und das Verbot, Schweinefleisch zu essen“, sagt Tekcan. Ganz anders sieht das Gynäkologe Christian Fiala, der sich seit Langem gegen die Beschneidung starkmacht. „Es ist nicht einzusehen, warum die Beschneidung von Männern so bagatellisiert wird. Wenn das sensibelste Organ – die Vorhaut – entfernt wird, bedeutet das eine massive Einschränkung des sexuellen Empfindens. Das ist eindeutig als Verstümmelung zu sehen und gehört, wenn es aus religiösen Gründen vorgenommen wird, verboten.“ Auch die Innsbrucker Psychotherapeutin Ulrike Paul spricht sich gegen das religiöse Ritual aus. „Kinder haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit und jeder Eingriff, der nicht medizinisch notwendig ist, gehört abgelehnt.“ Mit der Beschneidung werde Kindern das Recht auf Selbstbestimmung genommen, meint Paul. Mückstein, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie, begrüßt die nun angefachte Wertediskussion: „Es ist wichtig, dass die Kinderrechte hier in den Fokus rücken.“ Keinen Grund, die Beschneidung von Buben in Zukunft als strafbar einzustufen, sieht Andreas Scheil vom Institut für Strafrecht an der Uni Innsbruck. „Die Beschneidung von Frauen ist strafbar, weil sie viel dramatischer ist. Die Beschneidung von Männern ist eine historisch gewachsene Verhaltensweise, an der man sicher nicht rütteln wird, nur weil ein deutscher Bezirksrichter das als Körperverletzung sieht.“