derstandard.at, 26.6.2012
Landgericht Köln spricht wegweisendes Urteil – Betroffene Religionen schweigen noch
In Köln ist es künftig strafbar, wenn man Buben aus religiösen Gründen beschneidet. So entschied das Landgericht in einem Urteil, das der „Financial Times Deutschland“ vorliegt. Damit ist es das erste deutsche Gericht, das den religiösen Ritus als Körperverletzung bezeichnet. Das Urteil betrifft mehrere tausend Buben in Deutschland, die in ihren ersten Lebensjahren beschnitten werden.
Bis dato gab es für deutsche Ärzte keine Rechtssicherheit bei diesem Thema. „Das Urteil ist vor allem für Ärzte enorm wichtig“, zitiert die „Financial Times“ den Strafrechtler Holm Putzke. Wurde bislang ein Bub ohne medizinische Notwenidgkeit und rein aus religiösen Gründen beschnitten, konnten sich die Ärzte darauf ausreden, nichts von der Illegalität ihres Handelns zu wissen – auch wenn ein Gericht im Nachhinein die Beschneidung als Körperverletzung verurteilte. Der Arzt musste wegen des „Verbotsirrtums“ freigesprochen werden.
Muslimische und jüdische Organisationen schweigen
„Diese Entscheidung könnte nicht nur die zukünftige Rechtssprechung prägen, sondern im besten Fall auch bei den betroffenen Religionen zu einem Bewusstseinswandel führen, Grundrechte von Kindern zu respektieren“, sagt Putzke. Das Gericht hatte in seiner Urteilsbegründung klargestellt, dass weder das Elternrecht noch die Religionsfreiheit eine Beschneidung rechtfertigen können.
Zum Urteil wollten sich die muslimischen und jüdischen Organisationen in Deutschland medial noch nicht äußern. Sie wollen zuerst die Urteilsbegründung prüfen.